Johannes Brahms und die Aufführungspraxis romantischer Kammermusik
Die Werke für ein Instrument und Klavier
Johannes Brahms’ Kompositionen für ein Instrument und Klavier wurden mit Blick auf bestimmte Interpreten geschrieben, mit denen Brahms beim Feinschliff der endgültigen Notentexte eng zusammenarbeitete. Wenn wir uns dieser Musik heute nähern, berücksichtigen wir allerdings nicht unbedingt die Möglichkeiten der Instrumente, für die Brahms sie schrieb oder die Gewohnheiten der einzelnen Spieler, welche diese Kompositionen als erste aufführten – zu denen auch Brahms selbst gehörte.
Bärenreiters bahnbrechende wissenschaftlich-kritische Ausgaben wurden von einem Team von Musikwissenschaftlern herausgegeben, die selbst auch Instrumentalisten sind. Sie gehen von der Prämisse aus, dass sich schon 20 Jahre nach Brahms’ Tod eine sich immer weiter vertiefende Kluft zwischen den Vorstellungen des Komponisten und der Aufführungspraxis des frühen 20. Jahrhunderts auftat. Wie die Brahmssche Notation und damit die eigentliche Intention des Komponisten zu verstehen war, wurde schnell vergessen.
Bärenreiters Ausgaben von Brahms' Werken für ein Instrument und Klavier stellen nicht nur einen verlässlichen Notentext zur Verfügung, der auf allen bekannten Quellen basiert, sondern sie versuchen auch, einige aufführungspraktische Hinweise zu rekonstruieren, die Brahms dem Interpreten mit seinem Notentext vermitteln wollte. Sowohl diese Ausgaben als auch ein Textheft – ein zentraler Bestandteil dieser Reihe von Brahms-Publikationen – widmen sich den Kernfragen einzelner Werke sowie den Besonderheiten der Aufführungspraxis im 19. Jahrhundert, z.B. im Hinblick auf Tempo, Rubato, rhythmische Flexibilität und Artikulation. Darüber hinaus finden die Spieler von Streichinstrumenten wertvolle Informationen zu den Themen Vibrato, Portamento, Fingersätze und Bogenführung. Pianisten werden über den Pedalgebrauch, das Fingerpedal, Arpeggios und Asynchronie informiert.